War man früher von einfacheren Reiz-Reaktionsmechanismen ausgegangen, werden die Vorgänge rund um Stimuli, die im Organismus verarbeitet werden und zu einer Reaktion führen, komplexer und differenzierter betrachtet. Dabei spielen Emotionen und das Unbewusste eine besondere Rolle. Der Mensch – so die These – entscheidet nicht rein auf Basis von bewussten Fakten, sondern er entscheidet emotional und wird dabei durch sein Unterbewusstsein beeinflusst. Hans-Georg Häusel konstatiert dazu: „Nicht der vernünftige Neocortex, das Großhirn, ist das eigentliche Machtzentrum in unserem Kopf, sondern das entwicklungsgeschichtlich weit ältere limbische System“. Und damit jene Funktionseinheit des Gehirns, in dem Emotionen verarbeitet werden und Triebverhalten entsteht.
Das limbische System, das Unbewusste, ist also die bestimmende Kraft, die über die Reaktion des Konsumenten auf Stimuli entscheidet. Dies klingt nach schlechten Nachrichten für Marketer. Wie soll der Kunde beeinflusst werden, wenn er selbst nicht gänzlich bewusst entscheidet? Kann das Unbewusste angesprochen werden? Die Antwort lautet: Es kann! Der Schlüssel zum Unbewussten ist in Emotionen zu finden. Die Teildisziplin des Marketing, die sich mit den Gehirnvorgängen und hervorgerufenen Emotionen beschäftigt, wird als „Neuromarketing“ bezeichnet. Emotionen steuern menschliche Entscheidungen. Daraus folgt laut Häusel: Je stärker die positiven Emotionen, die Produkte oder Marken hervorrufen, desto wertvoller sind sie für das Gehirn und desto größer ist die Kaufbereitschaft des Kunden. Es bedeutet aber auch, dass jene Produkte, die keine Emotionen auslösen für das menschliche Gehirn de facto wertlos sind. Sie sind also gut beraten, wenn sie ihre Produkte und Marken mit Emotionen aufladen.
Ein besonderer Aspekt dabei ist, dass Emotionen mit entsprechenden „Codes“ direkt angesprochen werden können. Im so genannten Brand Code Management erfolgt die Markenpositionierung – wie bereits dargestellt – aufgrund von angestrebten Motiven und Emotionen. Die Umsetzung erfolgt über Codes, die die Schnittstelle zum Kunden bilden. Häusel identifiziert dabei vier Gruppen von Codes, die zu bedienen sind. Sensorische Codes betreffen alle sensorischen Erlebnisse, die vermittelt werden sollen. Mit welchen Farben, Formen, Geräuschen, welcher Typografie, welcher Haptik soll das Produkt kommuniziert werden, wie sollen die Sinne angesprochen werden. Episodische Codes bedienen sich an den Inhalten erzählter Geschichten und gezeigter Episoden. Die gezeigten Protagonisten, Gesten, Handlungsplätze, Markenlogos, etc. bilden symbolische Codes und werden ergänzt um sprachliche Codes wie das geschriebene oder gesprochene Wort. Jeder dabei in Anspruch genommene Code hat eine in unserer Kultur durch Sozialisation gelernte Bedeutung und die Implementierung muss an diesen erlernten Bedeutungen anknüpfen.
Mit der Limbic Map(R) von Hans-Georg Häusel lassen sich unterschiedliche Wertesysteme adressieren, Motiv- und Wertstrukturen von Marken verdeutlichen, ebenso ist die Zuordnung farblicher Codes zu den Werten möglich.
Mit Neuromarketing sind also interessante Ansätze zur Markenbildung verbunden. Es liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Kaufentscheidungen stark durch das Unterbewusstsein beeinflusst werden. Das Unterbewusstsein kann durch Emotionen angesprochen werden, deshalb sollten Marken mit emotionalen Attributen aufgeladen werden. Durch unsere Sozialisation haben wir die Deutung von Codes verankert. Durch gezielte Verwendung dieser Codes können wir direkt Emotionen ansprechen und hervorrufen, die dem Ziel unseres Markenbildungsprozesses zuträglich sind.
Quellen
Esch, F.-R./Herrmann, A./Sattler, H. (2017): Marketing. Eine managementorientierte Einführung. München: Vahlen.
Häusel, H.-G. (2019): Think Limbic! Die Machte des Unbewussten nutzen für Management und Verkauf. Freiburg: Haufe.
Häusel, H.-G. (2019): Limbic ®: Das Navigationssystem für erfolgreiche emotionale Markenführung. In: Häusel, H.-G. (Hrsg.): Neuromarketing. Erkenntnisse der Hirnforschung für Markenführung, Werbung und Verkauf. Freiburg: Haufe.
Scheier, C./Bayas-Linke, D./Schneider, J. (2010): Codes. Die geheime Sprache der Produkte. Freiburg: Haufe.
Anmerkung:
Autor: Dr. Patrick Moser. Dieser Artikel erscheint in ähnlicher Fassung als Fallstudie in der kommenden Ausgabe von Kotler et al. (2022): Grundlagen des Marketing. München: Pearson.